In welchen Bereichen hat die Digitalisierung im Einkauf Einzug gehalten, wo liegen die Chancen und wo die Herausforderungen? Thomas Münger, Partner und Mitinhaber bei Procurement Partner AG, verrät im Interview, worauf es in Zukunft ankommt.

Thomas Münger, wo liegen aktuell die Möglichkeiten bei der Digitalisierung im Einkauf?

Es geht beim strategischen Einkauf vor allem darum, die Transparenz und Vernetzung im Unternehmen selbst und zu den Lieferanten zu optimieren. Im Vordergrund stehen dabei Kostensenkungen, neben der Effizienz der Prozesse. Durch die Digitalisierung bietet sich die Möglichkeit, vereinfacht bessere Ausschreibungen durchzuführen, bestehende und neue Lieferanten elektronisch zu involvieren und Verträge konform zu erstellen und zu prüfen. Und im rein operativen Einkauf liegt der Fokus ganz klar auf der Prozesseffizienz.

In welchen Bereichen hat die Digitalisierung beim Einkauf bereits Einzug gehalten?

Es wird, nicht nur im Einkauf, viel von der digitalen Transformation gesprochen. Das geht oft einher mit neuen Geschäftsmodellen und Technologien. Das ist im Einkauf auch ein Thema, aber hier geht es bei vielen Unternehmen vielmehr erst einmal noch um die Digitalisierung der bestehenden strategischen und operativen Einkaufsprozesse. Der Einkauf hat intern teilweise Schwierigkeiten sich und seine Vorhaben entsprechend zu positionieren.

Müssten sich also erst einmal Strukturen und Prozesse ändern? Sollte der Einkauf sich intern besser vernetzen? 

Ja, zum Beispiel der operative Einkauf und die Finanzabteilungen. Denn es handelt sich eigentlich um einen durchgängigen Prozess: Bedarfsanforderung, Genehmigung und Freigabe, Bestellung, Waren- oder Leistungseingang und dann Prüfung und Bezahlung der Rechnung. Daran sind bis jetzt bei vielen Firmen zwei wenn nicht drei verschiedene Abteilungen mit unterschiedlichen Prozessen und Systemen beteiligt. Aber eigentlich müsste das ein durchgängiger Prozess sein, mit einer Lösung – also „Purchase-to-Pay“. Es gibt zahlreiche Beispiele aus der Praxis, wo das bereits gut funktioniert.

Das heisst, es gibt bereits die passenden digitalen Lösungen, wenn Unternehmen wissen, in welcher Richtung sie Unterstützung benötigen?

Die Mehrzahl der elektronischen Beschaffungslösungen, die es bereits länger auf dem Markt gibt, ist gut und ausgereift. Da sind die übergreifenden Beschaffungsplattformen -, die alles abdecken können, und es gibt spezifische Lösungen, die sich zum Beispiel nur des Vertragsmanagements annehmen. Wir führen regelmässig Lösungsevaluationen und Ausschreibungen für unsere Kunden durch und können so die beste individuellen Lösung empfehlen. Man kann hierzu wirklich festhalten, dass die Ausgangslage gut ist und es viele etablierte Lösungen gibt.

Wo ist die Digitalisierung im Einkauf bereits angekommen und wo gibt es Verbesserungsbedarf?

Wir kennen einige Firmen, bei denen die Digitalisierungsvorhaben bereits sehr gut und effizient umgesetzt wurden. Die digitalen Beschaffungslösungen sind vorhanden, und wenn das Unternehmen die Strategie, Organisation und die Prozesse abgestimmt definiert und dann digitalisiert, funktioniert es gut. Dazu definieren wir mit unseren Kunden eine „Procurement Roadmap“. Wenige Firmen haben heutzutage aber bereits alle Prozesse gut und übergreifend definiert. Es gibt vor allem noch grosses Verbesserungsbedarf bei der Interaktion der strategischen und operativen Prozesse, beim Lieferanten- und Vertragsmanagement, dem Dienstleistungseinkauf und bei der elektronischen Integration der Lieferanten und der Rechnungen.

Wenn die digitalen Lösungen also vorhanden, und die Vorarbeiten in Bezug auf die Strategie, Organisation und Prozesse erledigt sind, dann steht dem erfolgreichen Digitalisierungsprojekt im Einkauf also nichts mehr im Wege?

Das Projekt wird dann erfolgreich sein, wenn man von Beginn die Prozesse, die Benutzer und auch die Lieferanten in den Mittelpunkt stellt. Obwohl hier eine digitale Beschaffungslösung implementiert wird, ist ein solches Vorhaben unserer Ansicht nach kein IT-Projekt. Die Fachbereiche sind in das Projekt zu involvieren, einfache und verständliche Prozesse und Change Management sind die Erfolgsfaktoren.

Kann der Einkauf beim Thema Digitalisierung eine Vorreiterrolle im Unternehmen übernehmen? 

Mit einem erfolgreichen Projekt und einer guten digitalen Beschaffungslösung positioniert sich der moderne Einkauf heute im Unternehmen. Ein Beispiel dafür sind die Genehmigungen und Freigaben von Bestellungen. Dies ist oft eine Managementaufgabe – und da ist es schon ein grosser Unterschied, ob der Einkauf mit einem Blatt Papier zum Unterschreiben kommt oder der Manager einfach per Smartphone genehmigen kann.

Was sind aktuell die wichtigsten Fragen Ihrer Kunden bei der Digitalisierung des Einkaufs? 

Das Potenzial der Digitalisierung wird von den meisten Unternehmen klar erkannt und will genutzt werden. Hier stehen aktuell zwei Fragestellungen im Vordergrund. Bei Unternehmen, welche die strategischen und operativen Beschaffungsprozesse noch nicht oder wenig digitalisiert haben, stellt sich oft die Frage des methodischen Vorgehens und der Initialisierung der Projekte. Bei Unternehmen, welche schon einzelne Prozesse digitalisiert haben, steht oft die Frage der Optimierung und Integration der Prozesse im Vordergrund. Die neueren digitalen Beschaffungslösungen bieten heute bessere und integrierte Funktionalitäten, dies vor allem im Bereich „Purchase-to-Pay“ und im Vertragsmanagement.

Wie können Sie Unternehmen bei diesen strategischen Überlegungen und Entscheidungen unterstützen?

Die Digitalisierung muss ganzheitlich betrachtet und angegangen werden. Mit unserer Methodik „Procurement Roadmap“ erarbeiten wir mit unseren Kunden zusammen die Strategie und die Ziele, dies sowohl in einer übergreifenden Sicht wie auch für die relevanten Warengruppen. Daraus lassen sich dann Handlungsempfehlungen erarbeiten, priorisieren und abstimmen. Die Digitalisierung der Prozesse ist kein Selbstzweck, sondern hat die Strategie und Organisation des Einkaufs zu unterstützen.

Wer ist Ihr erster Ansprechpartner für eine „Procurement Roadmap“?

In der Regel ist es schon die Einkaufsleitung des Unternehmens. Es waren aber auch schon der/die CEO, der/die CFO, Mitarbeitende im Rechtsdienst oder in der IT. Im Rahmen der Erstellung und Abnahme der „Procurement Roadmap“ sind dann aber meist alle Stakeholder eingebunden.

Begleiten Sie die Unternehmen dann auch nach der Erstellung der „Procurement Roadmap“ weiter? 

Ja. Die „Procurement Roadmap“ bildet die belastbare Entscheidungsgrundlage für die Weiterentwicklung des Einkaufs. Sehr oft spielt darin die Digitalisierung von Prozessen eine zentrale Rolle. Entscheidet sich ein Unternehmen, Schritte zur Digitalisierung einzuleiten, unterstützen wir hauptsächlich in der Konzeption und Evaluation der digitalen Beschaffungslösungen. Bei der Implementierung unterstützen wir unsere Kunden dann im Rahmen der Projektleitung, dem Change-Management und der fachlichen Konzeption.

Welche digitalen Beschaffungslösungen können Sie nun den Unternehmen empfehlen?

Hier muss ich die Antwort leider mit der Einleitung „es kommt darauf an…“ beginnen. Erst einmal haben wir die positive Situation, dass eine Vielzahl von guten digitalen Beschaffungslösungen auf dem Markt verfügbar ist. Dies benötigt aber auch ein sauberes methodisches Vorgehen, um die beste Lösung zu evaluieren. Durch unsere „Procurement Roadmap“ und unsere Erfahrung in der Evaluation von digitalen Beschaffungslösungen können wir dann auch jeweils eine klare Empfehlung abgeben.

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