Chancen und Nutzung von elektronischen Marktplätzen im öffentlichen Einkauf

Potenziale für die Beschaffung und deren Ausgestaltung

 

P4U, die E-Procurement-Lösung der Universität Zürich

Ansprechpartner Universität Zürich: René Kunz, Verantwortlicher Strategische Beschaffung.
E-Mail: rene.kunz@uzh.ch Internet: www.mul.uzh.ch/de

Vita

René Kunz ist seit 2007 Verantwortlicher Strategische Beschaffung an der Universität Zürich und in dieser Funktion zuständig für die Reorganisation von Beschaffungsprozessen, die Koordination bei Beschaffungsprojekten, die Vermittlung zwischen den Instituten und den Beschaffungsinteressen. Zudem ist er Projektverantwortlicher für P4U.

Ausgangssituation: vom geweckten Bedürfnis zum Leuchtturmprojekt

Mit sieben Fakultäten und über 150 Instituten ist die Universität Zürich (UZH) die grösste und vielfältigste Volluniversität der Schweiz. Damit bietet sie ideale Möglichkeiten für transdisziplinäre Forschung und Lehre – und alle Bereiche benötigen unzählige Güter für diese vielfältigen Aufgaben. Die Beschaffung von solchen Gütern erfordert eine professionelle und IT-unterstützte Beschaffung. Das gab es so an der UZH bis 2007 nicht und so hatten alle Institute nach bestem Wissen und Gewissen eingekauft, aber eben nicht professionell. Um dies zu optimieren, wurde die
Stelle der strategischen Beschaffung an der UZH geschaffen und Anforderungen und Vorgehensweisen formuliert, um eine professionelle Beschaffung zu etablieren. Dazu gehörten auch das Neueinrichten der Prozesse in SAP-MM sowie weitere organisatorische Massnahmen. Erst nach dieser Neuausrichtung wurden Anfang 2013 an der UZH konkrete Ideen zum Thema E-Procurement diskutiert und das Projekt Ende 2013 gestartet. Heute steht der UZH eine gut eingeführte E-Procurement-Plattform zur Verfügung. Die Software „open ordering“ der Firma veenion hat sich unter dem Projektnamen P4U (Purchase for you) etabliert und darf als Leuchtturmprojekt bezeichnet werden, das weit über die Universitätsgrenzen hinweg leuchtet.

Die Evaluation oder die Kunst, den richtigen Partner zu finden

Die Phase der Marktanalyse darf nicht unterschätzt werden. Um den Projekterfolg zu gewährleisten, muss der richtige Anbieter mit dem richtigen Produkt gefunden werden. Die UZH hatte mit „Procurement Partner“ einen versierten Partner engagiert, der die Zeit der Evaluation und Einführung kompetent begleitete. Die ultimative Marktübersicht ergab sich jedoch mit den damals bevorstehenden BME-Lösungstagen im März 2014. Das Projekt-Kernteam unter der Leitung von René Kunz hatte sich für die zwei Ausstellungstage eine Liste mit potenziellen Anbietern erarbeitet und ein „Speed-Dating“ organisiert und konnte sich auf diese Weise auf der Messe einen guten Überblick über die Möglichkeiten und den „State of the Art“ verschaffen. Mit den neusten Erkenntnissen wurden die Anforderungen aktualisiert und eine zweistufige Ausschreibung reduzierte die unterschiedlichen Angebote auf vier Anbieter. Diese mussten sich vor dem Projektteam und ausgewählten Anwendern in einem vierstündigen Audit mit ihren Produkten beweisen und sich dabei an einen exakt vorgegebenen Ablauf halten. Damit konnte sichergestellt werden, dass keine Verkaufsveranstaltung stattfand, sondern eine Präsentation der Anbieter und ihrer Produkte mit den Möglichkeiten ihres damaligen Standards. Die gewonnen Eindrücke und Resultate der Präsentation wurden von Einkaufsverantwortlichen, Anwendern und IT-Spezialisten der UZH bewertet.

P4U – das Projekt

Eine E-Procurement-Einführung ist ein Einkaufsprojekt. Das bedeutet, dass der Einkauf als Fachabteilung die Projektleitung aktiv wahrnimmt. Nicht die IT und auch nicht die Finanzabteilung sollten ein solches Projekt leiten, in der Rolle als Dienstleister sind jedoch beide Bereiche sehr wichtig.

Da es sich um ein Change-Management-Projekt handelte, brauchte das Projekt einen einprägsamen Namen. Mit P4U – Purchase for you – sollte vermittelt werden, dass es sich um individuelles Einkaufen für die User handeln soll und keine Freiheiten beschnitten werden – nach dem Motto: Keiner muss, alle wollen.

Die akademische Freiheit hat an der UZH einen sehr hohen Stellenwert und ermöglicht es den Instituten, ihre benötigten Güter selbstständig zu beschaffen, wie sie möchten und wo sie möchten. Eine Herausforderung, die vom Projektteam einiges an Überzeugungsarbeit erforderte, denn Freiheit in der Beschaffung und Standard im Beschaffungsprozess sind nicht einfach umzusetzen.

Zu den Hauptzielen des Projektes gehörten:

  • Standardisierung der Beschaffungsprozesse
  • Transparenz von Beschaffungen
  • Kosteneinsparungen von mehr als 5 Prozent
  • Digitalisierung des Beschaffungsprozesses von der Bestellung bis zur Rechnung
  • Bestellung von mehr als 90 Prozent der Institute über P4U

Die Umsetzung

Der Projekterfolg ist auf ein ausgewähltes, kleines und kompetentes Kernteam zurückzuführen, das fokussiert und zielorientiert gearbeitet hat. Im Projektverlauf wurden unterschiedliche Begehrlichkeiten an das Projektteam herangetragen, berücksichtigt wurde, was Sinn machte und in den Standard passte. Individuelle Programmierungen für die UZH wurden abgewiesen. Um die Beschaffungsprozesse der User und die Vorgaben der Abteilung Finanzen abbilden zu können, wurden zwei Beschaffungsprozesse eingerichtet: ein Basisprozess mit nachgelagerter und
ein Expertenprozess mit vorgelagerter Finanzfreigabe. Dies war ein Kompromiss aller, um eine hohe Akzeptanz von P4U sicherzustellen. Im Nachhinein hat sich die Standhaftigkeit des Kernteams als Vorteil erwiesen, nutzen doch zwei Drittel der User den Basisprozess. Die UZH-weite vorgelagerte finanzielle Freigabe einer Bestellung war und ist aufgrund verschiedener Gründe kaum durchzusetzen; die Bestellenden würden P4U meiden und wie ursprünglich an den Systemen vorbei bestellen.

Der Marktplatz

Die Basis für die erfolgreiche Nutzung von E-Procurement-Plattformen ist das verfügbare Angebot. Bei Organisationen mit einem zentralen Einkauf kann die Lieferantenanzahl spürbar reduziert
werden. Bei einem koordinierenden Einkauf, wie er an der UZH praktiziert wird, geht es darum, den vielen dezentralen Bestellenden ein möglichst breites Produktportfolio mit vollständigem Sortiment anzubieten. An der UZH bedeutet das, dass ein Bestellender das gleiche Produkt bei mehreren Lieferanten zu unterschiedlichen Preisen vorfindet und sich so das günstigste Produkt kaufen kann. Bei fehlenden Lieferanten würden die User in alte Gewohnheiten zurückfallen und ihre Einkäufe wieder am System vorbei tätigen.

Zahlen und Fakten

P4U wurde im August 2016 live geschaltet und hat sich seitdem erfolgreich etablieren können.

  • Mehr als 170 Institute kaufen regelmässig über P4U ein.
  • Ungefähr 1.000 User nutzen P4U monatlich.
  • 114 Lieferanten bieten mit ihren lokalen und OCI-Katalogen mehr als 20 Millionen Produkte an.
  • Die meisten Warengruppen sind mehrfach verfügbar (Büromaterial, Laborverbrauch, IT-Verbrauchsmaterial, Bücher usw.)

Kooperationen, um Synergien zu nutzen

Die erfolgreiche Nutzung von E-Procurement innerhalb der UZH wurde, interessanterweise von teilnehmenden Lieferanten schnell bemerkt und diese hatten ihre Kunden aus dem Hochschulumfeld über E-Procurement-Pläne angefragt und auf P4U als mögliche Lösung hingewiesen. So wurde die UZH schnell zum Vorzeigemodell – und da lag es auf der Hand, eine einheitliche Lösung voranzutreiben. Das war der Startschuss, Kooperationen nicht nur im Bereich Forschung und Lehre zu bilden, sondern auch im Bereich Einkauf zu fördern. Dies spart Ressourcen und bündelt das Know-how an einem Ort und beide Parteien, Kunden und Lieferanten, profitieren. Der Lieferant muss in der Regel nur einen Katalog bereitstellen. Für die interne Aufschaltung aller Kooperationspartner werden die Synergien genutzt und dabei übernimmt die UZH den Lead und die Kooperationspartner brauchen sich nicht um die technischen Details von Katalogen zu kümmern.

Lessons Learned

P4U ist eine Erfolgsgeschichte an der UZH und bei den teilnehmenden Partnern. Es hat sich gelohnt, fokussiert auf ein Projektziel hinzuarbeiten und standhaft zu bleiben, wenn es um die Umsetzung von Standards ging. Der Erfolg hat allen Beteiligten, auch mit Blick auf andere Projekte, recht gegeben, dass die Projektleitung bei der Fachabteilung Einkauf angesiedelt war. Das Team von der UZH würde das Projekt wieder so angehen – und auch heute noch mit dem gleichen Softwarepartner. EProcurement ist weder ein IT-Projekt noch ein Projekt der Finanzabteilung. Mit E-Procurement wird Change Management gemacht und es werden Beschaffungsgewohnheiten verändert, davon sind Menschen betroffen – und diese überzeugen zu können ist in der heutigen Zeit wichtiger als die eingesetzte Software.

 

Sämtliche Inhalte dieses Beitrages wurden am 16.10.2023 auf der Website des Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V veröffentlicht. Die originale Publikation finden Sie hier